Über mich
Über mich
Jede Kommunikation wird für mich besonders dann spannend und wertvoll, wenn in ihr Wahrhaftigkeit inne wohnt. Damit meine ich, dass ich mich selbst als Mensch in meinem spezifischen Ich Sein preisgebe und damit auch etwas aufs Spiel setzte. Es geht um etwas, nämlich um den Kern meines subjektiven Daseins, um die Frage: Wer bin ich? Das Folgende kann man als meine philosophische Lebensgeschichte lesen.
Geboren und aufgewachsenen im dörflichen Umfeld in Niederösterreich, in einem Tal – eingekreist von Bergen. Also ohne Weitblick. Es ist alles sehr eng, es ist so wie es eben ist und wie es immer schon gewesen ist. Ob das jetzt für einen persönlich gut oder schlecht ist steht nicht zur Debatte. Es ist wie es ist, wie es immer schon war und das ist gut. Das war mein Problem – mich interessiert warum die Dinge so sind wie sie sind – das wird als pubertäre Spinnerei abgetan, das ist nicht wichtig. Nachdem offenbar für alle anderen keine Fragen offen waren, habe auch ich aufgehört sie mir zu stellen. Es folgte Langeweile und Unglücklich sein, bis Sartré kam.
Vor allem in meiner Jugendzeit musste ich sein, wie ich gewiss überhaupt nicht war, wenngleich ich zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt war, zu wissen wer ich bin. Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Warum bin ich nicht wie alle anderen? Solche Fragen und das Gefühl „es passt nicht“ prägen diese Lebensphase.
Individualität und Freiheit sind für mich damals die großes Themen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ich meine philosophische Heimat zunächst im Existentialismus bei Sartre, de Beauvoir und Kierkegaard finde. Ich fühlte mich als radikal Einzelne und vor allem Kierkegaard schrieb seine Philosophie für den konkreten Einzelnen, also für mich. Ich fühle mich verstanden, ich finde meine eigenen Fragen und Themen ausformuliert. Es gibt sie also doch, Fragen jenseits des Offensichtlichen.
Nachdem ich als schwieriger, launischer und tendenziell suizidaler Teenager alles andere als Lernen und Schule im Sinn hatte, und mein Stolz es niemals zugelassen hätte, eine Klasse im Gymnasium zu wiederholen, war meine Schulkarriere früher als geplant zunächst beendet. Es folgt eine Lehre im Büro. Das lernt man eben bei uns im Dorf, wenn man so wie ich weder handwerklich begabt ist und auch sonst keine speziellen Fähigkeiten aufweisen kann. Die Lehre wird fertig gemacht, dass muss so sein. Ich als Lehrling – das passte gar nicht. Auf einmal war ich nicht mehr in der Gruppe von Gleichaltrigen und nur von Erwachsenen umgeben, ich war allein und ziemlich unglücklich. Einsamkeit ist das Thema dieser Zeit – auch hier können Kierkegaard, Sartre, Camus, Nietzsche helfen.
Es passt nicht, ich muss da raus, raus aus der Enge und Fadesse, rein in den Raum der Möglichkeiten, hin zum Philosophiestudium und zu mir selbst. Es gibt noch mehr außer den Existentialisten und es gibt zu meiner Überraschung auch lebende Philosophen mit denen ich ins Gespräch kommen kann. Ich darf mir den Luxus leisten nachzudenken, zu hinterfragen, jenseits der Oberflächlichkeit zu blicken. Durch die Philosophie fühle ich mich lebendig und bei mir selbst angekommen. Neben der Philosophie entpuppt sich auch die Kunst für mich sehr schnell als Schlupfloch aus der Realität und dem Alltag. Vor allem Performance, Aktionismus, Konzeptkunst, Malerei und Theater haben es mir angetan. Dort ist intensives Erleben möglich, Intensität, sich selber spüren und nicht einfach so dahin leben – all das prägt auch heute noch meine Lust an Kunst. Kunst muss keinen Sinn haben – Freiheit! Die Bestätigung für diese Sicht der Dinge finde ich unter anderem bei Kant.
In der Zeit des Studiums werden vor allem Verstehen und Sprache wichtige Themen für mich, ich beschäftige mich mit Wittgenstein, Freud, Lacan, Jaspers, Buber, Carnap. Ich beginne eine Psychotherapie, die mich mit Unterbrechungen bis heute begleitet.
Jobs in der Behindertenarbeit, eine Ausbildung zur Altenpflege folgen neben dem Studium. Ich mache diverse Praktika, mein längstes absolviere ich auf einer psychiatrischen Station. Was ist normal und was nicht, sind psychotische Zustände jenseits der Realität, wie real ist unsere Lebenswelt eigentlich, wissen wir mit Sicherheit, dass alles tatsächlich so ist wie wir es sehen? Ich beschäftige mich mit der Frage nach der Wahrheit, kann irgendjemand überhaupt die Wahrheit haben, gibt es die eine Wahrheit oder ist die Wahrheit grundsätzlich etwas Subjektives? Wittgenstein, Derrida, Foucault, Frege, Tarski, McDowell, Brandom.
Nach einer gewissen Zeit im Pflegebereich ist einem nichts Menschliches mehr fremd: viele Lebensgeschichten, Ausscheidungen, Krankheiten, Tod, skurrile Situationen, schwarzer Humor, tolle Teamarbeit. In dieser Zeit lerne ich viel für das Leben. Die Zeit in der Pflege erdet mich, das Philosophiestudium nebenbei gibt mir intellektuelle Freiheit. Durch meine Erfahrungen in der Pflege werden philosophische Themen rund um das Selbst immer wichtiger: was macht die Würde eines Menschen aus, ist sich ein verwirrter Mensch seiner selbst bewusst und kann noch frei entscheiden? - Freud, Descartes, Spinoza, Nagel.
Nach dem Studienabschluss bleibt meine berufliche Heimat der Sozialbereich. Ich gehe weg von der Pflege und beschäftige mich im weitesten Sinne mit Menschen, die ihren Platz in der Gesellschaft verloren haben, Menschen die lange Zeit aus verschiedensten Gründen keine Arbeit mehr finden können. Subventionsabwicklung, Controlling, Qualitätsmanagement und Projektentwicklung sind meine Schwerpunkte. Der Beruf steht für längere Zeit im Fokus, die Philosophie schlummert.
Der Tod meines Vaters war ein Einschnitt. So schnell kann alles vorbei sein, was bleibt von einem Menschenleben. Ich besinne mich wieder mehr auf mich, auf das, was mich ausmacht, was mir wichtig ist und kehre damit zur Philosophie zurück. Themen wie der Sinn des Lebens, die Vergänglichkeit des Körpers und der Seele beschäftigen mich. Merleau Ponti, Waldenfels, Foucault, Spinoza, Amery.
Ich kehre zurück zur Philosophie, zur philosophische Praxis – der Kreis schließt sich. Ich arbeite daran, die philosophische Begleitung beruflich für mich zu etablieren. Vor allem möchte ich die ungemeine Bereicherung, welche die Philosophie in mein Leben gebracht hat an andere weitergeben.